Kinder brauchen Grenzen

Einen Ausspruch den ich mein Leben lang immer wieder gehört habe, lautet „Kinder brauchen Grenzen!“. Eine Aussage, die bei den einen zu uneingeschränkter Zustimmung und bei anderen zu vehementer Ablehnung führen kann.

Grenzen müssen sein. Kinder brauchen Grenzen! – Aussagen, die ich lange nicht hinterfragt habe. Die Frage, die ich mir dabei allerdings inzwischen stelle, lautet WARUM? Oder anders ausgedrückt, welche Bedürfnisse erfüllen sich Menschen mit der Aussage „Kinder brauchen Grenzen!“ bzw. in dem sie entsprechend handeln? Worum geht es ihnen? Was ist ihnen wichtig?

Spontan kommt mir dabei der Schutz für die Kinder in den Sinn, aber auch, dass sie lernen müssen, wie das Leben läuft und dass nicht jeder machen kann, was er will. Immerhin sollen sie später einmal ihr Leben meistern können.

Kinder brauchen GrenzenAber ist das wirklich so? Lernen Kinder tatsächlich in dem ihnen Grenzen gesetzt werden, wie das Leben läuft und worauf es wirklich ankommt?

Erinnern Sie sich noch an Grenzen, die Ihnen vielleicht Ihre Eltern gesetzt haben? Regeln, die es zu befolgen galt? Wenn ja, was haben Sie daraus gelernt?

Wenn ich von Grenzen und Regeln spreche, dann erinnere ich mich an Aussagen wie „Kinder müssen wissen, dass sie sich Erwachsenen gegenüber respektvoll benehmen sollen.“. Deswegen gibt es eine Regel, die besagt, dass ein Kind freundlich guten Tag sagen muss, dass es die Hand zu geben hat und vieles mehr.

Ich denke, Kinder lernen durch Grenzen vor allem zu funktionieren. Sie lernen artige, folgsame Kinder zu sein und wenn sie sich anders als gewünscht verhalten, Konsequenzen folgen (können).

Was aber wollen wir Kindern tatsächlich beibringen? Wollen wir sie zu braven, angepassten Mitläufern erziehen? Wollen wir, dass Kinder aus Angst vor Konsequenzen handeln? Oder wollen wir sie darin unterstützen, die Welt zu verstehen? Das sie lernen, wie sie dazu beitragen können, dass das Miteinander funktioniert und wie alle gleichermaßen Freude am Leben haben können?

Wenn es letzteres ist, worum es auch Ihnen geht, dann lade ich Sie ein folgendes zu verinnerlichen:

  • Ein Kind hat hier und dort ein anderes Wissen als wir.
  • Es hat Gefühle und Bedürfnisse (wie auch wir Erwachsene).
  • Ein Kind ist ein vollwertiger Mensch und vor allem ein gleichwertiges Individuum!

Wenn wir in dieser Haltung einem Kind begegnen können, dann geht es uns sicherlich nicht mehr darum, Grenzen zu setzen. Dann wollen wir dazu beitragen, es bestmöglich zu unterstützen, die Welt zu verstehen und aus der Freude heraus zum Wohle anderer beizutragen.

Abschließend möchte ich einen Teil des Gedichtes von Ruth Bebermeyer zitieren, dass – wie ich finde – deutlich macht, wie anders wir Kinder sehen können, wenn wir nur genau hinsehen (beobachten) anstatt zu bewerten.

 Ich habe noch nie ein dummes Kind gesehen;
Ich habe schon mal ein Kind gesehen, das hin und wieder
etwas gemacht hat, das ich nicht verstand,
oder etwas anderes gemacht hat, als ich geplant hatte;
ich habe schon mal ein Kind gesehen,
das nicht dieselben Orte kannte, wie ich,
aber das war kein dummes Kind.
Bevor du sagst, es wäre dumm,
war es ein dummes Kind, oder hat es einfach nur
andere Sachen gekannt, als Du?

  Auszug aus dem Gedicht „Ich habe noch nie einen faulen Mann gesehen“ von Ruth Bebermeyer