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Eine für mich wichtige Schlüsselunterscheidung in der Gewaltfreien Kommunikation ist die Unterscheidung von Verständnis vs. einverstanden sein.

Rosarote Brille

Seitdem ich mich mit der Gewaltfreier Kommunikation beschäftige, habe ich wiederholt erlebt, dass Menschen die erstmals etwas über GFK hören, davon ausgehen, dass es in erster Linie darum geht, zu versuchen, jeden zu verstehen und für alles Verständnis aufzubringen.

Diese Annahme führt meiner Erfahrung nach jedoch schnell zu einer Abwehrreaktion. Im Austausch zu diesem Thema habe ich in Gesprächen anschließend oft erfahren, dass für jemanden oder etwas Verständnis haben, damit gleichgesetzt wird, einverstanden zu sein mit dem, was jemand anders tut oder sagt.

Aber wer ist und möchte schon mit allem einverstanden sein?

Was aber ist der Unterschied zwischen Verständnis und einverstanden sein?

Die Gewaltfreie Kommunikation setzt auf der Grundannahme auf, dass jedes menschliche Handeln zum Ziel hat, Bedürfnisse zu erfüllen. Diese Bedürfnisse sind universell und werden von allen Menschen geteilt. Dazu gehört zum Beispiel das Bedürfnis nach Schlaf, Nahrung, aber auch Sicherheit, Anerkennung und Kontakt und viele mehr.

Stellen Sie sich vor Sie erleben, dass Ihr Mitarbeiter jede Woche montags und freitags eine halbe Stunde vor dem Ende der regulären Arbeitszeit das Büro verlässt. Für Sie als möglichen Vorgesetzten, vermutlich auch für die Kollegen, wird es hier vermutlich für einen solchen „Verstoß“ kein oder nur schwer Verständnis geben. Richtig?

Nun versuchen Sie einmal Ihren Blick auf die möglichen Bedürfnisse hinter dem Handeln zu richten. Können Sie sich vorstellen, dass hinter dem Handeln etwas steckt, das sie nachvollziehen können und was Ihnen Verständnis entlockt?

Es könnte beispielsweise sein, dass der Mitarbeiter alleinerziehender Vater ist und Angst hat, dass er bei entsprechender Verkehrslage sein Kind nicht rechtzeitig von der Schule abholen kann. In diesem Fall könnten die Bedürfnisse hinter der Handlung (den Arbeitsplatz vorzeitig zu verlassen) vielleicht Sicherheit und auch Fürsorge sein.

Wie geht es Ihnen damit, wenn Sie sich vorstellen, dass Ihr Mitarbeiter Sicherheit braucht und sich um sein Kind sorgt? Können Sie dafür Verständnis aufbringen?

Wenden wir uns den Bedürfnissen, die dem Handeln zu Grunde liegen, zu, fällt es uns leichter zu verstehen, warum jemand auf eine bestimmte Art und Weise handelt. Hierdurch kann Verständnis für die Beweggründe unseres Gegenübers entstehen. Gleichzeitig bleiben wir vielleicht auch weiterhin mit der gewählten Strategie nicht einverstanden und das ist absolut in Ordnung.

Fazit

Wenn wir in der Gewaltfreien Kommunikation von Verständnis sprechen, richten wir unseren Fokus auf die dahinterliegenden Bedürfnisse und nicht auf die zur Erfüllung der Bedürfnisse gerichtete Strategie. Verständnis für die Belange unseres Gegenübers ermöglichen es jedoch, dann auch – gegebenenfalls gemeinsam – nach alternativen Strategie zu suchen, mit denen am Ende alle einverstanden sind.